Ein Motorradunfall im Herbst änderte das Leben von Konstantin Gess (37) – Vereine und Nachbarn spenden

Von Martin Maier

Walchsing. Bagger, moderne Häuser, Rutschen und Trampoline: Hier, in der Walchsinger Neubausiedlung, ist Fortschritt, Jugendlichkeit und Gesundheit zuhause – die positive Seite des Lebens. Auf dieser befand sich auch Familie Gess. Bis zum 22. September 2015. Seit dem Tag ist Familienvater Konstantin Gess (37) querschnittsgelähmt, weil er mit seiner Suzuki mit einem Unimog des Bauhofes der Gemeinde Aldersbach zusammenprallte.

 Seit einem Verkehrsunfall sitzt Konstantin Gess aus Walchsing im Rollstuhl. Um ihm und seiner Frau Galina
Gess (l.) zu helfen, hat Walter Zitzlsperger eine Spendenaktion unter Vereinen, Firmen und Nachbarn initiiert. 3520 Euro kamen zusammen.

-Foto: Maier

Bis kurz vor Weihnachten lag Konstantin Gess in der Unfallklinik Murnau in Oberbayern. Jetzt, über Weihnachten und Silvester, ist Gess erstmals nach Hause zu seiner Frau Galina (32) und zu seinen Kindern Markus (7) und Nico (3) gekommen.

 

Am Nachmittag des Neujahrstags klingelt es bei Familie Gess. Konstantin Gess klettert von seinem orthopädischen Bett in seinen Rollstuhl, seine Frau öffnet die Tür. Etwa 15 Gäste – vor allem Vertreter von örtlichen Vereinen – sind da, um der Familie Geld zu überreichen, das sie gesammelt haben. Zunächst weiß niemand, worüber man sprechen soll – zu beklemmend ist die Konfrontation mit Konstantin Gess’ Schicksal: Er hat eine verletzte Lunge und kann seinen Körper brustabwärts nicht mehr bewegen.

Seine Frau Galina streicht ihm über die Schulter. Sie ist in dem vergangenen Vierteljahr über 20 Mal zu ihrem Mann nach Murnau gefahren. „Sie war meine Krankenschwester“, sagt Konstantin Gess und lächelt. Vor langer Zeit, nachdem die beiden ein Paar geworden waren, tätowierte sich Gess den Namen seiner Partnerin auf den linken Unterarm. Tätowierungen halten ein Leben lang. Das Gleiche gilt – zumindest theoretisch – auch bei Ehen. Bei den Gess’ scheint das auch praktisch so zu sein. Zueinander stehen, in guten wie in schlechten Zeiten – vor elf Jahren haben es sich die beiden bei ihrer Hochzeit geschworen.

Beide kommen aus Russland und haben es geschafft, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen. Konstantin Gess hat Tischler gelernt und arbeitet bei der Knorr-Bremse in Aldersbach als Galvaniseur. Bisher als Zeitarbeiter, jetzt als Festangestellter, der an eine Umschulung denkt. Von seinem Arbeitgeber, berichtet Gess, bekomme er volle Unterstützung. Das Datum des Unfalls weiß das Paar sofort. Es war früher Nachmittag und Konstantin Gess auf dem Weg zur Spätschicht. Er fuhr dorthin – entgegen der Gewohnheit –mit dem Motorrad, weil seine Frau das Auto brauchte. In der Ritter-Tuschl-Straße passierte der Zusammenstoß. Danach verlor Gess kurz das Bewusstsein. Als er zu sich kam, lag Gess auf der Straße und war von Passanten und Rettungskräften umgeben. „Ich wollte aufstehen, aber es ging nicht“, schildert er.

Die Besucher hören genau zu. „Nur eine halbe Minute später – und nichts wär’ passiert“, meint ein Gast. So oder so ähnlich dachte auch Konstantin Gess direkt nach dem Unfall. Heute hingegen hadert er nicht mehr so extrem, seine Familie und die Murnauer Therapeuten haben ihn aufgebaut. „Es gibt Gelähmte, die können nicht mal mehr essen und trinken“, sagt Konstantin Gess und greift zur Kaffeetasse. „Respekt, wie ihr das durchsteht“,meint ein Gast. Wenig später bringt Galina Gess neuen Kaffee zum Esstisch, der für die Abordnung fast zu klein ist. Zum Essen gibt es kasachischen Kuchen und Pralinen. Der Weihnachtsbaum ist prächtig geschmückt, auf einer Kommode steht eine Krippe, an der Wand hängt ein Bild, auf dem der ältere Sohn seinen Arm um den jüngeren legt.

Walter Zitzlsperger, Nachbar und Initiator der Spendenaktion, hat auch Familie und ist im Gegensatz zu Konstantin Gess gesund. Zitzlsperger hat es geschafft, von elf Gruppierungen und Einrichtungen Spenden für Familie Gess zu  erhalten. 3520 Euro hat Zitzlsperger dabei. Als er das Geld an Konstantin Gess überreicht, hat dessen Frau Tränen in den Augen. Anders, als mancher vermuten würde, will Konstantin Gess so schnell wie möglich wieder am Straßenverkehr teilnehmen. Mit dem Spendengeld will er sich ein behindertengerechtes Auto kaufen.

DIE SPENDER:
Urlberger Buam, Eurosport Zitzlsperger, Firma AIDe, Christliche Frauengemeinschaft Walchsing-Kriestorf, Krieger- und Soldatenverein Walchsing, RSV Walchsing (Herren, Jugend, Innviertler Fußballschule), Bayernfanclub Vilstal, Feuerwehr Walchsing, Nachbarn, Vereine von Aunkirchen, ESD Sicherheitsdienst.

(Quelle: Vilshofener Anzeiger)